Expert Views

Published on Sep 20, 2019

Die Enterprise-Geister die Google rief

  • Google versucht sich beim jährlichen Google Cloud Summit in München stärker als je zuvor im Enterprise Markt zu positionieren
  • Google ist inzwischen auch in Deutschland mit seiner Cloud und der G-Suite direkter Konkurrent von Microsoft mit Azure und Office 365
  • Lesen Sie im Crisp Research Analyst View wie sich Googles Positionierung verändert hat, was das für Anwender bedeutet und was Google noch verbessern könnte.

Inzwischen gehört das Google Cloud Summit fest zum jährlichen Event-Kalender der großen Technologie-Veranstaltungen in Deutschland. Crisp Research Analysten waren natürlich vor Ort und sprachen mit Googlern, Partnern und Anwendern. Auch wenn es keine bisher wirklich unbekannten Ankündigungen gab, markiert der Google Cloud Summit 2019 einen Wendepunkt in Google’s Positionierung in Deutschland.

Der Cloud-Markt ist hybrid – Jetzt gibt’s auch Google zu.

Google’s eigene Applikationen um Suche, Werbung und die G-Suite als vollständige Office-Suite sind alle cloud-native entwickelt. Zudem hatte Google keine Legacy-Produkte on-premise bei Kunden wie Microsoft. Auch deshalb hat Google von den drei Hyperscalern (AWS, Azure, Google Cloud) am längsten die Herausforderungen von hybriden Landschaften ignoriert. Zwar gibt es das Flaggschiff der Google-Cloud-Compute-Dienste, das Kubernetes Container Management schon seit einer Weile auch als on premise Version, aber bisher waren die meisten Kunden mit dem Management und der Verteilung von Anwendungen total überfordert. Dabei geht es nicht nur um eine Public Cloud und vermeintlich on-premise verbleibende Teile der Anwendungslandschaft. Es geht gleichzeitig auch um Multi-Cloud, also die gemeinsame Nutzung verschiedener Public Clouds. Um es Kunden einfacher zu machen die verschiedenen Tools zu verstehen und miteinander ans Laufen zu bekommen, hat Google Anthos ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich eigentlich um das Zusammenspiel von bereits bekannten oder neu auf die Google Cloud angepassten Frameworks.

Google Anthos Komponenten
(Quelle Google)

Mit Anthos orchestriert Google verschiedene Tools on-premises und in der Cloud. Während on-premises oder in Third-Party Clouds wie AWS und Azure die reinen Open-Source Versionen beispielsweise von Istio zum Einsatz kommen, sind die Google Cloud Counterparts teilweise erweitert oder für die Google Cloud angepasst. Im allgemeinen basieren sie aber auf den gleichen Open Source Frameworks.

Google Anthos Cloud und On-Premises Software Frameworks
(Quelle Google)

In der Keynote in München wurde das Deployment einer Anwendung on-premise, in der Google Cloud und auf AWS gezeigt. Damit schließt Google mit den anderen beiden Hyperscalern funktional auf, die auch solche Szenarien mit ihren Tool-Chains unterstützen. Gleichzeitig disruptieren sie auch traditionelle Infrastruktur-Management-Tools beispielsweise von VMWare, IBM oder BMC und werden immer mehr zum Software-Hersteller. Man könnte den Anthos-Ansatz im Extremfall auch verwenden, wenn die Google Cloud beispielsweise nur die Disaster-Recovery-Option für eine große Anwendung darstellt und im Normalbetrieb gar nicht genutzt wird. Kein Wunder, dass Google bis jetzt noch kein Pricing für Anthos angekündigt hat.

Google Cloud zielt komplett auf den Enterprise-Markt – nicht auf kleinere Unternehmen.

Die Google Cloud ist inzwischen komplett von ehemaligen Enterprise-Software-Managern gesteuert. Nachdem Thomas Kurian – der ehemalige Produkt-Chef von Oracle – Anfang des Jahres die Gesamtverantwortung für die Google Cloud von Diane Greene übernommen hat und nun der weltweite Vertrieb auch noch von Robert Enslin – ehemaligem SAP-Vorstandsmitglied – verantwortet wird, ist das Ziel klar: Google greift in Europa mit aller Kraft und Geschick nach den Infrastrukturen der SAP-Landschaften. So hatte Robert Enslin (Google) auf der Bühne Peter Pluim zu Gast, der Global Head of Enterprise Cloud Services & SAP HANA Enterprise Cloud bei der SAP ist. In dem Gespräch entstand nicht nur der Anschein, als ob SAP seine eigenen Cloud-Provider-Pläne aufgegeben hätte und nur noch mit Google arbeitet. Zwischenzeitlich hatten einige Zuhörer auch den Eindruck, dass Enslin sich noch als SAP Executive fühlt, weniger als Google-Vertreter. Fakt ist aber, dass SAP zwar auf der Google Cloud S/4 Hana anbietet, aber auch strategische Partnerschaften mit allen drei Hyperscalern sehr behutsam und gleichberechtigt balanciert und immer noch eigene Rechenzentren betreibt. Von Googles Seite positioniert man sich in diesem Ökosystem um SAP ganz klar bei den großen Enterprise-Systemen. AWS und Azure können technisch zwar vergleichbar gut große SAP Hana Systeme hosten, Google’s “Sweet-Spot” im Vergleich mit den beiden liegt aber ganz klar bei der Skalierung zu sehr großen Datenmengen und Rechenleistung. Trotz dem Fokus auf auf große Kunden hofft Google bei seiner Positionierung auch kleinere SAP-Kunden zu überzeugen, indem man zeigt, dass man sehr große SAP Kunden gewinnen konnte. Damit das gelingt, muss Google aber rasch das SAP-Ökosystem adressieren. Lokale Managed-Service-Provider verlieren zwar einen Teil der physischen Infrastruktur an die Hyperscaler, bieten aber weiterhin erfolgreich das Infrastruktur- und Application-Management selbst für viele Kunden an. In diesem lokalen Ökosystem ist Microsoft mit vielen deutschen Partnern klar am besten aufgestellt und wird direkt von Amazon gefolgt. Google wird bald merken, dass besonders viele Mittelständler zwar die Software bei SAP kaufen, aber das Application Management eher lokalen IT-Dienstleistern auf Augenhöhe übergeben. Um den anspruchsvollen Enterprise-Markt zu knacken, braucht Google auch noch leistungsstärkere und funktionsfähigere Middleware. Dazu war in München das Google Cloud Data Fusion Offering zu sehen. Es liegt aber funktional hinter anderen Cloud-Integration-Werkzeugen wie Mulesoft (Salesforce.com) oder der Community-getriebene Ansatz von OpenIntegrationhub.org mit der Container-basierten Implementierung von Elastic.io aus Deutschland.

Google drängt seine Kunden nicht zu einer Plattform Entscheidung.

Früher sahen CIOs ihre Aufgabe dahin, strategische Plattform-Entscheidungen zu treffen und dann alle Anwendungen auf diese Plattformen zu konsolidieren. So sind SAP, IBM oder Dell in den Rechenzentren großgeworden. Der Ansatz brachte stets offensichtliche Kosten- und Effizienz-Vorteile. Welche IT Organisation wollte oder konnte schon beispielsweise zehn verschiedene Datenbank-Systeme administrieren. Heute in der Cloud ist die Logik aber ganz anders. Die Administration der Plattform-Dienste übernimmt in vielen Fällen der Cloud-Provider. Solange es genügend Kunden gibt, die eine bestimmte Plattform-Komponente nachfragen ist das effektiv – selbst wenn ein einzelnes Unternehmen zehn verschiedene davon konsumiert. Der neue Hebel zur Effizienz kommt eher von der Erfahrung der Entwickler für eigene Anwendungen. Ist einmal ein Stack aus Cloud-Native Software-Frameworks ausgewählt, können Entwickler schnell produktiv werden. Für die Teile die eigenes Branchen Know-How und Intellectual Property beinhalten, gehen viele Firmen zurück auf reine Container-Infrastruktur und managen die nötigen Softwarekomponenten darauf selbst. Da gute Container-Anwendungen relativ einfach zwischen den drei Hyperscalern und Kubernetes on-premises verschiebbar sind, muss man eigentlich gar keine strategische Plattform-Entscheidung zwischen den drei Hyperscalern mehr treffen! Google hat das in seinem Go-To-Market verstanden und drängt seine Kunden nicht zu exklusiven Plattform Deals.

Bei den höherwertigen PaaS-Diensten, sind die verschiedenen Public Clouds natürlich sehr kompetitiv und nicht mehr austauschbar. Google operated hier aber vornehmlich Open Source Frameworks, die man im Falle eines Umzugs auf anderen Clouds dort eben selbst operaten kann. Damit hat der CIO einen “Plan B” für alle Fälle und Software-Entwickler eine große Anwahl.

Google fängt grade erst an, sein Portfolio für Nicht-Technologen verständlich zu strukturieren.

Insgesamt ist Google Cloud trotz des ganzen Enterprise Fokus immer noch eine Technologiefirma für andere Techies. Um strategischer Partner des gesamten Enterprise zu werden – wie SAP es selbst geschafft hat – muss Google sein Portfolio weiter strukturieren und kommunizieren. Anthos für alles um (hybride) Infrastruktur Modernisierung zu realisieren ist ein toller Anfang. Im Bereich Security ist viel für den Chronicle Spin-Off gebündelt.

Die Struktur der 100+ Google Cloud Produkte
(Quelle https://cloud.google.com/products )

 

Ausgewählte Cloud Produkte in der Lösungssicht
(Quelle https://cloud.google.com/solutions/)

In den Lösungs-Kategorien sind bei weitem nicht alle Google Cloud Services strukturiert. So fällt es Technologen im Unternehmen schwer die angemessene Wahrnehmung und Budgets auf der betriebswirtschaftlichen Seite des Unternehmens zu bekommen.

Entscheidungen zwischen Hyperscalern sind eher politisch als technologisch

Trotz des beschriebenen Verbesserungs-Potentials, hat Google diese Woche einen signifikanten Schritt in Richtung Enterprise-Reife demonstriert und seinen Anspruch gegen Microsoft und Amazon deutlich angemeldet. Letztlich haben auch die Referenzen der Veranstaltungen wie die ARD Rundfunktanstalt die Plattform Entscheidungen transparent gemacht. Offensichtlich würde die ARD schon allein wegen der Existenz von Amazon Prime, was gegen die ARD mit seiner neuen Mediathek konkurriert, keine AWS Services verwenden. Ähnliches gilt für die Retailer und so weiter.